Donnerstag, 28. September 2017

Herbsttage in Calla (1)



Ireland Diary September 2017



May this house shelter your life
When you come in home here,
May all the weight of the world
Fall from your shoulders.
May your heart be tranquil here
Blessed by peace the world cannot give.
May this home be a lucky place
here the graces your life desires.
Always find the pathway to your door

John O'Donohue


27.08.2017
Wie schön, nach Hause in Irland zu kommen und solch einen ein "blessing"  im Gästebuch zu finden!
Wir wissen dann, dass das Haus ¨seine Menschen¨ findet und es sind tatsächlich nur sehr wenige, die diesen besonderen Ort nicht zu schätzen wissen und sorglos ¨nehmen¨... Das ist so lange in Ordnung, solange es das Gegengewicht vieler begeisterter und berührter Eintragungen in diesem Buch gibt! Sonst würde es uns wohl kränken. Es ist nicht leicht, einen Platz, der einem so viel bedeutet und den man mit so viel Liebe bedacht hat, zu teilen.


Ja, da sind wir wieder - zurück in Calla und die Tage gleiten mir davon...  Vielleicht beginne ich mit dem Lieblingsthema - nicht nur der Touristen:  dem Wetter!  Nach einem etwas holperigen Empfang mit einem Regentag verwöhnte uns die Insel mit wunderschönen Sonnentagen, die wir brauchten, da wir unserem syrischen Schützling Zoubi, der inzwischen wie ein Adoptivsohn für uns ist -  eine kleine Irland-Auszeit (über meinen Geburtstag :)  geschenkt haben und ihm natürlich so viel ¨Connemara¨ wie möglich in diesen drei Tagen zeigen wollten. 



¨ Irland macht glücklich¨  hatte im Juni Lion nach  nur eine Stunde nach Ankunft getextet! An Zoubi konnten wir es beobachten und uns von seiner Freude mitreissen lassen.  Seit wir ihn kennen (nur wenige Wochen nach seiner Flucht aus Syrien 2015) haben wir ihn kaum einmal so heiter, so ausgelassen und so glücklich erlebt.  ¨Syrien¨ ist das Maß aller Dinge für ihn - und hier kam er - offensichtlich - zum ersten Mal ins Grübeln :)  Die Weite, die Wildheit und Unbezwingbarkeit der Landschaft, die Farben und die Strände, die immer wieder völlig unterschiedlich sind... Ein Eldorado für sein oft trauriges und oft sehnsuchtsvolles Herz!  ¨ Ich liebe Irland¨ -  ¨ Ich möchte nur noch in Irland Urlaub machen¨.... Das sind starke Ausdrücke der Begeisterung!
 




 Die Unbeschwertheit, die Zoubi mitbrachte, half mir auch, mich dem gefürchteten Tag besser stellen zu können.  70 - das ist eine Zahl - und in ihr liegt mein gefülltes Leben:  Kein Leben, von dem man sich wünschen würde, es noch einmal zu leben, aber ein Leben, das mich zu dem Menschen hat werden lassen, der ich bin.  Viel Verlust, viel Trauer, viel erlittenes neues Glück und immer steht alles auf tönernen Füßen, kann jederzeit einbrechen, das weiß ich... Vielleicht macht es die ¨guten Zeiten¨ zu so besonderen Zeiten, denn die anderen stehen bereits im Hintergrund bereit...  Übermut steht mir nicht - und doch liebe ich diese übermütigen Augenblicke, die wir auch hier erleben - und gerade auch mit Zoubi erlebt haben.  Ich habe verstanden, dass ich selbst die Architektin meiner Existenz bin. Ich bin es, wenn ich zulasse, dass meine Vergangenheit mich beeinflußt und bin es umgekehrt genauso, wenn ich mich ihr widersetze. ¨Gib ihnen nicht die Macht¨ - höre ich Florian sagen...
 Und doch:
"....Eine schwierige Kindheit ist wie ein unsichtbarer Feind: Man weiß nie, wann er zuschlagen wird¨..
(aus: ¨Vom Ende der Einsamkeit¨ von Benedict Wells, den ich hier lese und sehr empfehle)


 ¨...Es gibt Dinge, die du mit den Augen nicht sehen kannst.
Du musst sie mit dem Herzen sehen,
Und das ist das Schwierige daran.
Wenn du zum Beispiel in dein Inneres blickst und spürst,
dass dort ein junges Herz schlägt,
werdet ihr beide mit deinen Erinnerungen
und seinen Traumen losziehen
und einen Weg durch jenes Abenteuer,
das man Leben nennt, suchen,
stets bestreibt, das Beste daraus zu machen.
Und dein Herz wird niemals müde werden
oder alt.... ¨

Sergio Bambaren ¨Der träumende Delphin¨








Es ist schön, ¨unser Irland¨ zu zeigen!  Die Wege, die im Moment gesäumt sind von leuchtend roten Fuchsienhecken, die Stille der Landschaft, die nur durch den Schrei von Möwen oder blökenden Schafen unterbrochen wird... Nie hatte Zoubi zuvor so viel Stille erlebt! 
Und dann die Strände, die wilde, offene Küste bei Dunloghan. Wir konnten ihn nicht davon abhalten über die vorgelagerten Felsen zu springen und immer wieder warf er die Arme in die Luft und wir konnten sein Lachen und seine überraschte Freude hören...  wunderbar!


Fotos vor dem schäumenden Atlantik, der sich an den Felsen bricht und seine Gischt in Fontänen in die Luft schleudert - werden  in Syrien von Freunden und der Familie bestaunt werden. 
Am Surferstrand war niemand - offenbar waren die Wellen zu hoch oder die Strömungen dort zu gefährlich! 



Irland zu erklären fällt nicht leicht.  Vieles hier verstehen wir selbst nicht wirklich! Warum leben in einigen Cottages hier an unserer Straße alte Männer alleine, die ihr Fahrrad schiebend mit dem obligartorischen Border Collie den Weg zu Keoghs gehen und man im Netz die Cans oder Flaschen klappern hört.. Haben Sie keine Familien? Kümmert sich jemand um sie?  Für Zoubi, dem ¨Familie¨ alles ist und der sich solch ein einsames Leben überhaupt nicht vorstellen kann, eine befremdliche Erscheinung.  Wir spüren aber auch, dass vieles, was wir erzählen, nicht sein Interesse findet - und so lassen wir die Tage einfach mit den sinnlichen Eindrücken, die wir  mit ihm sammeln, vergehen.

Auch unser Nachbar Pete hat uns zunächst Sorgen gemacht, bis wir ihn endlich vor seinem Cottage sahen. Die Kühe sind nicht da!  Nicht um uns herum und auch nicht um sein Cottage an der Küste auf den Wiesen




Die ¨Irish Night¨ in Roundstone, deren letzen Abend wir diesmal endlich wieder erleben wird noch einmal ein absolutes Highlight für uns alle!  Die Musik, die die Menschen im vollen Saal mitreisst, die vielen Füße, die nicht still stehen können unter den Stühlen und oft den Takt mittreten... Die jungen Interpreten, die wir zum Teil als die Kinder wiedererkennen, die doch vor einigen Jahren kaum die Treppe auf die Bühne schafften.. Heute tanzen und steppen sie mit viel Selbstbewußtsein und Grazie.. Eine  helle Freude. Hier löst sich "Alter" auf, man ist so alt wie man sich fühlt und beim Tanzen wird dies deutlich: leichtfüßig und strahlend tanzt ein - tatsächlich in die Jahre gekommenes - Paar neben jungen und jugendlichen Tänzern. "Everything goes" und vor allem soll man Spaß und Freude haben.  Hier gibt es nicht allzuviele Ereignisse wie diesen Abend und so nutzt ihn jeder auch für seine Bühne!



Wir treffen Christine, die all dies initiiert und die Seele dieser Veranstaltung, die uns  als die ¨School-house-people¨ begrüßt und Zoubi die Hand schüttelt und sich über einen Gast, der von so weit her kommt :)  freut!  Leider spricht er kein Englisch. Sie hätte sofort einen chat mit ihm begonnen!! 
Man muß sich in diesen Abend - wie in ein warmes Bad - hineinfallen lassen und einfach genießen... Alle Sinne werden angsprochen, vor allem auch das Herz bei den alten irischen Liedern, bei denen viele leise mitsingen..  eine fast andächtige Stimmung und viel Applaus! 

Zum Ausklang werden wir mit von den Frauen des Ortes mitgebrachten, leckeren finger-food-Speisen und Wein verwöhnt und  man kann sich noch einmal umsehen, wer da ist und wen man noch erinnert.. Es sind wenige, die wir kennen. Die meisten scheinen diese Veranstaltung nicht (mehr?) im ¨Programm¨ zu haben - oder das bevorstehende ¨Clifden Arts Festival¨ läßt schon nach vorn schauen...  Ein weiteres High Light auf das wir uns freuen!


Mit Zoubis Abreise änderte sich das Wetter und wir richten unser Leben nun völlig an seinen Launen aus: es lehrt uns Spontaneität!



..."Wenn wir das Schöne erwarten und zulassen, kommt in unserem Innern und zwischen uns Menschen etwas Neues in Fluss. Das Herz lebt auf, und völlig unerwartet erhellt Mut unser Leben. 
Es ist der Mut, der wieder Hoffnung in unser Leben pflanzt…."
John O'Donohue "Schönheit'" (S.16)



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